Roadtrip durch den Balkan – 1.671 Km

Dass Reisen anstrengend ist, habe ich spätestens auf meinem Trip durch das Herz des Balkans feststellen müssen. Mit dem Auto von der Insel Skiathos ging es via Fähre über das griechische Festland nach Albanien, Montenegro, Kroatien und Slowenien...

Auf der Skizze unten kommt ihr per Direktklick auf die Beiträge zu den von uns besuchten Orten.

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Aufbruch von skiathos

Wir standen auf dem Aussichtsdeck auf der Fähre nach Volos, wo wir innerhalb der nächsten Minuten von der wunderschönen Insel Skiathos aufbrechen würden, um das griechische Festland zu erreichen. Die letzten LKW's eilten heran, um sich in den Bauch des großen Transportschiffes zu quetschen und die Möwen flogen bereits gierig über unseren Köpfen, um Nahrung in dem bald aufgewirbelten Meerwasser zu erhaschen. Eine griechische Flagge flatterte vor meiner Nase im Wind und ließ in mir Vorfreude auf das anstehende Abenteuer aufkommen. Jonas und ich planten, mit dem Auto von Griechenland zurück nach Deutschland zu fahren und dabei möglichst viele neue Orte zu entdecken. Unser erstes Ziel war Ioannina; und ja, es brauchte einige Versuche, bis wir den Ortsnamen richtig aussprechen konnten. Auf Griechisch wird er „Yoh-ah-nee-nah“ ausgesprochen, wobei der Schwerpunkt auf der zweiten Silbe „ah“ liegt.

skiathos roadtrip

Die historische Stadt war vom Hafen Volos, wo wir in 2,5 Stunden anlegen würden, ca. 250 Kilometer entfernt und befand sich im Nordwesten Griechenlands, in der Region Epirus. Es verschlug uns dorthin, da sie direkt am Ufer des Pamvotida-Sees lag und umgeben von Bergen war.

"Tutuuuut!", die Fähre legte ab und ich bekam schreckliche Unterleibschmerzen. Der weibliche Körper kann ein Arschloch sein... ich lag also nach kurzer Zeit ausgestreckt auf drei Sitzen an Deck und Jonas versorgte mich mit Wasser und Käsetoasts, während wir das Ägäische Meer überquerten. Natürlich bekam ich meine Periode ausgerechnet jetzt; an Tag eins unseres großen Roadtrips durch den Balkan! Jonas übernahm also die ersten paar Stunden Fahrt, als wir wieder griechisches Festland unter den Rädern hatten und ich mimte die leidende Beifahrerin.

Auf unserer Route fuhren wir durch die Stadt Kalambaka, in welcher die Klöster von Meteora auf den Bergen zu schweben schienen. Auf dem Hinweg nach Skiathos hatten wir Zeit gefunden, hinauf in die Berge zu fahren, um uns die 1988 von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannte Landschaft von Nahem anzusehen. Die Kulisse war atemberaubend schön. Im 14. Jahrhundert, als die osmanische Bedrohung zunahm, begannen Mönche, auf den schwer zugänglichen Felsenspitzen Klöster zu errichten, um Schutz zu suchen. In der Blütezeit von Meteora im 16. Jahrhundert gab es bis zu 24 Klöster; heute sind noch sechs davon aktiv und für die Öffentlichkeit zugänglich. Eins der Klöster könnte euch aus dem James-Bond-Film „In tödlicher Mission“ von 1981 bekannt sein, nämlich das "Heilige Dreifaltigkeitskloster". Dort sucht Bond eine wichtige Kommunikationsvorrichtung und muss eine gefährliche Kletterpartie unternehmen, um das Kloster zu erreichen...

meteora

Wieder fitter, übernahm ich den zweiten Streckenabschnitt durch die bergige Landschaft des Pindos-Gebirges, welches sich über mehr als 150 Kilometer in nord-südlicher Richtung erstreckt. Auf dem Hinweg nach Skiathos waren die Berge in dichtem Nebel gehüllt, sodass ich die phantastische Aussicht jetzt zum ersten Mal genoss. Die Luft war jetzt viel frischer und ich fühlte mich da oben auf den kurvigen Straßen ganz weit weg von allem.

Ankunft in Ioannina

Wir erreichten unser Airbnb ein wenig abseits von der Stadt in Kato Marmara im Dunkeln und wurden dort von einem süßen schwarz-roten Kätzchen namens Vrouli begrüßt. Die Eltern von Petros wohnten nebenan und führten uns - Vrouli im Schlepptau - durch den traumhaften Garten in unser Domizil für die Nacht. Hier fühlten wir uns richtig wohl und genossen die abendliche Luft auf der kleinen Terrasse, mit Vrouli auf dem Schoß und umringt von zahlreichen Glühwürmchen, die immer wieder links und rechts von uns aufleuchteten. Am nächsten Morgen brachten uns Petros Eltern Kaffeefilter und Milch vorbei und wir staunten nicht schlecht, als wir den Garten nun bei Tageslicht sahen. Überall blühte es, die Sträucher rochen herrlich, es gab Gemüsebeete und eine steinerne Outdoor-Küche mit Feuerstelle. Außerdem konnten wir die Berge sehen und bekamen einen ersten Eindruck von der Stadt Ioannina. Gerne wären wir hier länger geblieben.

In der Hauptstadt der Region Epirus angekommen, wurden wir abermals von der Schönheit der umliegenden Natur überrascht. Der Pamvotida-See war umgeben von bewaldeten Hügeln, Feldern und beeindruckender Berglandschaft. An der Promenade reihten sich zahlreiche Tavernen und Cafés, die zum Verweilen einluden und einen tollen Blick auf die Ioannina-Insel spendeten. Auf dem Weg zur Burg von Ioannina, die als eine der ältesten byzantinischen Festungen Griechenlands gilt, flanierten wir durch die eng gewundenen Gassen der Altstadt und bewunderten die Überreste der Festungsmauer. Die Ursprünge der Burg reichen bis ins 6. Jahrhundert und Laufe der Jahre immer erweitert, insbesondere im 18. Jahrhundert, als sie unter der Herrschaft Ali Paschas zu einem prachtvollen Palast ausgebaut wurde. Heute sind dort einige historische Museen untergebracht, die die Geschichte der Stadt dokumentieren, aber mich begeisterten vor allem die kleinen Eingänge zu steinernen Kammern und der darum liegenden Flora und Fauna. Wir haben sogar eine einsame kleine Schildkröte im Gras entdeckt, die im Vergleich zu uns von der Aussicht auf die Stadt weit weniger beeindruckt schien.

Mein Kaffeedurst verschlug uns anschließend wieder in die lebhafte Stadt, wo wir schnell aus der mystischen Vergangenheit hinaus in die Gegenwart katapultiert wurden. Ioannina ist das akademische Zentrum der Region und zieht Studenten aus ganz Griechenland an, dementsprechend voll war es in den Cafés um die Mittagszeit, an denen wir vorbeikamen. Wir rasteten in der Café Bar "ΦΟΥΡΝΟΣ" mit Blick auf die Festungsmauer unter einer großen Platane, die uns Schatten spendete und bestellten uns Frappés und ein Käsetoasts; das war hier in Griechenland so ein Ding. Danach spazierten wir auf der Suche nach einem versteckten Geochache am Seeufer entlang und machten uns nach erfolgreichem Fund und Eintrag im Logbuch anschließend auf den Weg zur Perama-Höhle, eine der bekanntesten Tropfsteinhöhlen der Region. Sie wurde während des Zweiten Weltkriegs entdeckt und offenbarte ein weit verzweigtes Netzwerk von Gängen und Kammern, das sich über eine Länge von etwa einem Kilometer erstreckt. Wir kamen rechtzeitig zur letzten Führung an, welche für Studierende (juhu!) nur 4 Euro und für Erwachsene regulär 8 Euro kostete. Nachdem wir einige Treppen erklommen und den Eingang passierten, wurden wir von Dunkelheit und einer Temperatur von 18 Grad umfangen. Unsere Führerin erläutere zunächst auf griechisch und im Anschluss auf Englisch, was wir in den nächsten 45 Minuten erwarten durften. Vom Eingang bis zum Ausgang waren etwa 25 Meter Höhenunterschied abzusehen und die Luftfeuchtigkeit konnte bis zu 100% erreichen. Wir wurden durch beleuchtete Pfade geführt und mir verschlug es den Atem - auch aufgrund der vielen Treppenaufstiege, aber vor allem wegen der spektakulären Höhlenkammern und der mystischen Atmosphäre, die auch aufgrund der Akustik aufkam, da jeder Schritt widerhallte. Die Decke war mit funkelnden Stalaktiten übersät und wir drückten uns in engen Gängen an beeindruckenden Stalagmiten vorbei. Schließlich kamen wir in die letzte Kammer, der "Bärenhöhle", in der 1956 Fossilien des ausgestorbenen Höhlenbären gefunden wurden. Der Ursus Spelaeus lebte vor etwa 100.000 Jahren und gehörte zu den größten Bären, die jemals gelebt haben. Er wog bis zu einer halben Tonne und und in aufrechter Haltung überragte er 2,5 Meter.

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Am Ende mussten wir eine unendliche Treppe erklimmen, um den Ausgang zu erreichen. Dabei hallte mein immer lauter werdender Atem so durch die Höhle, dass unsere Führerin die gesamte Gruppe anhalten ließ, damit ich wieder zu Kräften kam. Anschließend herrschte sie mich mit einem liebevollen "Slow!" an, mich am Ende der Gruppe einzureihen, sodass ich das Schlusslicht bildete.
Als ich durch den Ausgang trat, blendete mir das gleißende Sonnenlicht zunächst die Sicht, doch nach und nach erkannte ich den wunderschönen Ausblick, der sich uns bot. Unter uns lag der Pamvotida See und die historische Stadt Ioannina, welche umgeben war von fruchtbaren Feldern und bewaldeten Bergen, die sich gen Horizont erstreckten. Wir genossen diese Aussicht noch einige Minuten, um uns zu verabschieden und machten uns anschließend auf den Weg in die Berge.

ab in die berge

Auf dem Weg in die Berge fuhren wir durch das kleine, urige Dorf Aristi, welches sich am westlichen Rand der Vikos Schlucht befand und wo wir von der Terrasse der Café-Bar Mesochori die spektakuläre Aussicht auf die Pindos-Berge und die Landschaft von Zagori genossen. Anschließend fuhren wir ca. 200 Höhenmeter in die Tiefe, um den Voidomatis Fluss, der wenige Kilometer flussaufwärts die imposante Vikos-Schlucht in den Fels geschnitten hatte, über die steinerne Aristi Bogenbrücke zu überqueren. Erst dann begann die eigentliche Steigung nach Papigko und die Strecke wurde außerordentlich kurvenreich, aber die Blicke aus dem Fenster waren einfach atemberaubend. Wir hielten immer wieder an, um unsere Namen in die Vikos Schlucht zu rufen und dem widerhallenden Echo zu lauschen. Allerdings auch, um unserer immer wieder aufkommenden Übelkeit Einhalt zu gebieten.

Jonas hatte uns via booking.com ein Zimmer in dem süßen Berghotel "Traditional Rooms Karaouli" gebucht, welches in dem kleineren Ortsteil Mikro Papigko lag. Am Ortseingang parkten wir in einer Sackgasse hinter einer byzantinischen Kirche, da der weitere Weg zu unserem Hotel nur zu Fuß möglich war. Die Häuser waren traditionell aus lokalem Stein errichtet worden und über den engen, mit groben Kopfsteinpflaster ausgelegten Gassen hingen Bohnengewächse, in deren Schatten ein paar Katzen herumlümmelten und auf die nächste Streicheleinheit warteten. Am Hotel angekommen, wurden wir sehr herzlich von einem älteren Ehepaar begrüßt, welches uns unser Zimmer für die Nacht zeigte und uns anschließend anbot, via Quad zu unserem Auto zurückfahren, um unser Gepäck zu holen.

Zusammen mit einem kleinen Fläschchen selbstgebranntem Tsipouro (das wir auf unserem Zimmer gefunden hatten) und einigen Katzen (die es sich gerne in unserem Zimmer gemütlich gemacht hätten) saßen wir noch lang auf der Terrasse und genossen die Atmosphäre dieser unwirklichen Umgebung. Vom traditionellen griechischen Tresterbrand beschwingt, beschlossen wir, am nächsten Tag eine vierstündige Wanderung zum Astraka-Plateau zu unternehmen, von wo aus der Drachensee (Drakolimni) zu erreichen wäre. Eine völlig naive Idee, wie wir später herausfinden sollten...

Am nächsten Morgen bereitete uns die Hausherrin persönlich ein ausgiebiges Frühstück zu und danach wir riefen im "Mountain Refuge of Astraka & Timfi" an, um uns dort zwei Betten zu reservieren. Man hielt uns dazu an, eigene Schlafsäcke mitzunehmen, da vor Ort kein Bettzeug existierte. Generell war die Hütte eher ein Notrefugium, das Wanderern Schutz in der rauen oder schwer zugänglichen Region gewähren sollte. Wir machten uns also darauf gefasst, auf grundlegende Einrichtungen und minimale Bequemlichkeiten zu treffen. Um 11 Uhr checkten wir schweren Herzens aus und machten uns auf den Weg zu den Papigko Rock Pools (Ovires of Rogovo), natürliche Wasserbecken, die durch die Erosion von Kalksteinfelsen durch das fließende Wasser des Rogovo-Bachs geformt wurden. Sie befinden sich im Tal zwischen Mikro und Megalo Papigko und können sehr gut via Auto und über einen markierten Pfad von der Hauptstraße aus erreicht werden. (Hier gibt es übrigens einen weiteren Geocache!)

Ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen: Die Becken waren unterschiedlich tief und breit, das Wasser war klar und leuchtend hellblau. Das Sonnenlicht brach sich auf der glitzernden Wasseroberfläche und warf funkelnde Schatten auf die hohen Felswände, die sich harmonisch um die Becken schichteten. Darum herum wimmelte es von bunten Schmetterlingen, die über die Felsen und das Wasser tanzten, hier und da tauchte ein Gecko aus den Sträuchern oder zwischen den Felsspalten hervor. Als Jonas den Fuß ins Wasser streckte, zog er diesen eilig zurück. "Das ist eiskalt! Das tut richtig weh!" rief er. Ich lachte, während ich mir die Kleider auszog und verstummte dann schnell, als ich mich selbst ins Wasser begab. Yep, das war tatsächlich kalt!

Zurück am Auto packten wir unsere Rücksäcke mit dem Allernötigsten für unsere bevorstehende Bergwanderung und brachen dann gegen 14 Uhr auf. Und ja, das war sicherlich die denkbar schlechteste Tageszeit, um auf einen ca. 2.000 Meter hohen Berg zu steigen. Wir hatten eine Temperatur von 29 Grad Celsius und mussten mit einer durchschnittlichen Steigung von 18% rechnen. All Trails stuft diese 5,3-Kilometer lange Strecke als schwer ein und weist einen Anstieg von etwa 947 Höhenmetern aus. Ich hatte nur ein paar Sportschuhe dabei, die ich 2014 fürs Fitnessstudio gekauft hatte und nach 12 Minuten Wanderung löste sich schon die Sohle des einen Schuhs. Wir liefen trotzdem weiter, obwohl mich meine Kräfte schon nach einer kurzen Zeit verließen. Ich hatte mir den Anstieg nicht im Ansatz so anstrengend vorgestellt. Ich zickte Jonas an, weil er so vorpreschte und scheinbar eine viel bessere Kondition hatte als ich, und er zickte zurück, weil er so genervt von den Insekten war, die sich an uns hefteten. Wir wanderten auf unserem ersten Stück auf relativ befestigter Erde in einem lichten Wald unter Buchen und Eichen her, aber der Schatten machte die buhlende Hitze nicht wirklich erträglicher. Hätte ich bei der ersten Rast gewusst, was uns noch bevor stand, hätte ich definitiv abgebrochen, denn erst danach wurde es richtig steil und der Boden wich steinigem Geröll. Den Wald ließen wir hinter uns, was toll war, weil die Insekten uns nicht mehr folgten, aber nun brannte die Sonne unerbittlich auf unseren Köpfen. Mittlerweile liefen wir beide ohne Oberteil und mir lief der Schweiß unter meinem Rucksack den Rücken hinab. Ich war auf alles und jeden wütend, vor allem auf die Menschen, die uns auf dem Weg bergab entgegenkamen und uns auf die schlechte Wahl der Tageszeit verwiesen. Ich hatte mir zwei furchtbare Blasen gelaufen und konnte die Blasenpflaster in meinem riesigen Ungetüm von Rucksack nicht finden. Den Müll, den wir auf unserem Weg produzierten, würden wir permanent mit uns herumtragen müssen, bis wir den Nationalpark wieder verlassen hatten, denn auf dem Wanderweg gab es nirgends Mülleimer, um die natürliche Umgebung so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. So schnallte ich mir neben meinem Rucksack und dem Schlafsack also auch noch einen Müllbeutel um, der mir bei jedem Schritt gegen das Bein prallte. Bei unserer zweiten Rast hatte ich mich schon wieder ein wenig gefangen, denn die Aussicht war einfach famos und mit zunehmender Höhe wurde das Klima aufgrund des aufkommenden Windes angenehmer. Bei unserer nächsten Rast fing meine Leiste an zu schmerzen und jeder Schritt machte mir Probleme, was auch die tolle Aussicht nicht mehr wettmachen konnte. Bei der letzten Rast war ich vor Schmerzen den Tränen nahe und warf ich mir eine Ibuprofen ein. Es war mittlerweile so kalt, dass ich wieder ein Oberteil trug und eine Jacke angezogen hatte, als Jonas rief: "Da ist die Hütte!". Tatsächlich, wir hatten es fast geschafft und mir kamen wieder die Tränen; diesmal vor Erleichterung. Als wir um Punkt 18 Uhr die ersten Schritte (humpelnd) auf das windgepeitschte Plateau setzten, wusste ich gar nicht, wie mir geschieht. Das Panorama war einfach unbeschreiblich. Es fühlte sich an, als befänden wir uns auf einem anderen Planeten, fernab allem, was wir kannten. Direkt neben uns war der Astraka Gipfel zum Greifen nah und ich sah Edelweiß auf der Wiese vor uns blühen, welcher nur in Höhenlagen zwischen etwa 1.800 und 3.000 Metern über dem Meeresspiegel gedieh und aufgrund seiner Seltenheit und schweren Zugänglichkeit oft als "die Blume der Tapferen" angesehen wird, was ich in diesem Moment sehr passend fand. Daneben grasten ein paar Balkangämse in der Abendsonne. Der Wind war eiskalt und trocknete mir mein von Schweiß und Tränen feuchtes Gesicht. Jonas deutete auf den Schnee auf dem Gipfel und ich konnte es immer noch kaum glauben, dass wir es tatsächlich hier hoch geschafft hatten.

Die Hüttenwartin führte uns eine Treppe hinauf in den Schlafsaal und wies uns zwei Hochbetten zu. Ich glaube, in dem Moment hätten wir uns über alles gefreut, was man uns vor die Nase gesetzt hätte, denn Jonas und ich empfanden beide so ein Hochgefühl über die gerade zurückgelegten 1000 Höhenmeter, dass wir uns, noch vor den spartanischen Betten stehend, strahlend in die Arme fielen und uns auf die bevorstehende Nacht mit den 24 anderen Wanderern freuten. Zurück auf der Terrasse des Refugiums stießen wir erneut mit einem Tsipouro an, ein wenig weiser und erfahrener nun, mit einigen Vorsätzen, was wir bei unserer nächsten Wanderung anders machen würden. Dort blieben wir sitzen, bis wir den Sternenhimmel sahen. Um 22 Uhr wurde der Strom abgestellt und wir machten uns schnell auf den Weg in den gemeinschaftlichen Waschraum, um uns die Zähne zu putzen. Als wir dann die Treppe zum Schlafsaal hinaufstiegen, war es stockdunkel und alle lagen schon in ihren Betten. Ich versuchte blind und wegen meiner Leiste ächzend, in mein Hochbett zu gelangen, wo ich mich halb auf meinen Rucksack legte, der noch unausgepackt auf der Matratze lag. Während ich also möglichst leise und mit dem bisschen Licht, was mein Handy Display verströmte, versuchte, meinen Schlafsack auszurollen und meine Ohrstöpsel zu finden, wackelte das ganze Bett und Jonas lachte immer wieder über die Absurdität unserer Situation. Ich kam mir schrecklich rücksichtslos vor und ließ den Schlafsack dann einfach so, wie er aus seiner Hülle herausgeschnellt kam, sodass ich mit dem Kopf zu Jonas' Füßen lag, was zu erneutem Kichern aus seiner Richtung führte. Die Ohrstöpsel fand ich natürlich nicht und weiter kramen konnte ich auch nicht, dafür war es viel zu leise in dem Schlafsaal, was vermutlich eher daran lag, dass noch keiner wirklich am schlafen war. Einige Minuten später aber war der Saal von lauten Schnarchgeräuschen erfüllt, was ein Einschlafen ohne Ohrstöpsel unmöglich machte, zumal es außerdem bitterkalt war, denn draußen herrschten nur noch 5 Grad und es gab keine Heizungen... Nach erneutem Kramen fand ich zumindest meine AirPods und schlief ein, bis ich eine halbe Stunde später davon geweckt wurde, das Jonas mich durchrüttelte. "Schatz, kann ich deine AirPods haben? Ich finde meine nicht!" Ich verneinte, weil ich sie ja selber brauchte und gab ihm eine Servierte aus meiner Hosentasche (ich war ja nicht mehr dazu gekommen, mir eine Schlafhose anzuziehen), damit er sich diese zurecht reißen und in die Ohren stopfen konnte. Ich schlief wieder ein, aber erwachte nach zwei Stunden erneut, weil der Akku meiner AirPods aufgab und ich nun dem Orchester ungleicher Atemzüge ausgesetzt war, das von tiefen, rhythmischen Schnarchgeräuschen geleitet wurde. Manche Töne erinnern an das sanfte Brummen alter Kühlschränke, andere glichen dem Grollen eines entfernten Donners. Es war so laut, dass das abermalige Rödeln in meinem Rucksack überhaupt nicht auffiel und irgendwann fand ich endlich meine Ohrstöpsel und schlief wieder ein, bis ich davon erwachte, dass mir in meinem Schlafsack und den sechs Lagen Kleidung viel zu heiß war. Ich war komplett nass geschwitzt und wünschte mir, die Nacht möge endlich vorbei sein. Ab 5 Uhr schaute ich minütlich auf die Uhr und wog die Vor- und Nachteile ab, nun bereits aufzustehen. Das Schnarchen drang mittlerweile eh durch die Ohrstöpsel hindurch und meine Nerven lagen blank. Entschlossen, diesem Horror zu entgehen, egal wie lange es noch dauern würde, bis der Strom angestellt und es den ersten Kaffee geben würde, stieg ich leise jammernd (Oh Gott, meine Leiste!) erst die wackelnde Treppe meines Hochbetts und dann die Treppe zum Waschraum hinab, wo ich auf der Toilette, einem schlichten Loch im Boden, feststellte, dass ich eine Blasenentzündung bekommen hatte. Als ich aus der Kabine hinaustrat, hörte ich schlurfende Schritte und kurz darauf erschien glücklicherweise Jonas' Kopf in der Tür zum Waschraum. Wir putzten uns müde die Zähne (nicht gegenseitig) und setzen uns nach draußen, um uns den Sonnenaufgang anzusehen. Zwei Stunden später gab es dann das heiß ersehnte Frühstück (und den Kaffee, jauchz!). Wir entschieden, nicht weiter bis zum Drachensee zu gehen, denn ich war froh, wenn ich es mit meiner Leiste und den kaputten Schuhen überhaupt wieder von diesem Berg herunter schaffte. Das stimmte mich schon sehr enttäuscht, denn ich hätte das Naturschauspiel wirklich gern mit eigenen Augen gesehen... Nachdem ich die Sohle meines rechten Schuhs mit etwas Klebeband befestigt hatte, checkten wir um kurz vor 8 aus und begaben uns auf den Abstieg. Nach etwa fünzig Metern musste ich das Klebeband vom Boden einsammeln und unserer Müllsammlung hinzufügen, welche ich nun wieder an meinem Rucksack befestigt an mir herumtrug. Während wir für den Aufstieg 4 Stunden gebraucht hatten, benötigten wir für den Abstieg nur noch 3 Stunden. Wir schleppten uns mit dem letzten bisschen Energie zum Restaurant des Papigko Towers Hotels, wo wir festlich schmausten und die Füße hochlegten. Der Kellner brachte mir Eis und ich kühlte meine Leiste, während wir unsere Weiterfahrt nach Albanien planten.

Die Stadt der tausend Fenster

Kaum waren wir über der albanischen Grenze, entdeckten wir auf der rechten Seite der Straße einen mittelgroßen Hund, der ein wenig aufgeregt schien. Wir fuhren mit Tempo 90km/h und als wir fast auf der Höhe des Hundes waren, lief er plötzlich mit einem Affenzahn und irren Blick auf unser Auto zu. Wir schrien beide und Jonas wich geistesgegenwärtig nach links aus, wodurch wir den Hund nur knapp verfehlten. Mein Herzschlag glich dem eines Kolibris und als ich in den Rückspiegel blickte, sah ich, wie der Vierbeiner uns noch ein paar Meter hinterherlief – quicklebendig und zum Spielen aufgelegt. Holla! Ich unternahm von nun an bis zu unserem Ziel keine Anstalten mehr, Jonas beim Fahren abzulösen. Wir fuhren permanent geradeaus, neben uns links und rechts weite Felder, alle drei Kilometer eine Tankstelle. Wir fuhren auf unserer Strecke nahezu permanent am Aoos Fluss entlang, dessen Quelle im Nationalpark Vikos-Aoos entsprang und in Albanien unter dem Namen Vjosë weiterfließt und schließlich ins Adriatische Meer mündet. Kurz vor seinem Aufeinandertreffen mit dem Ozean bogen wir ins Landesinnere ab, wo sich alle 500 Meter neben Tankstellen nun auch Lavazhos befanden, also Autowaschanlagen, oder Geschäfte, die auf die Autozubehör spezialisiert waren. Obwohl das albanische Volk also offenbar Wert auf ihre Fahrzeuge legte, war es damit doch recht ungestüm unterwegs, was wir insbesondere in Kreisverkehren wahrgenommen haben. Dort wurde sich reingedrängt und gehupt, um sich Vorfahrt zu verschaffen, Blinker wurden keine gesetzt. Und dann gab es natürlich noch das Problem unvorhergesehener Hunde auf der Fahrbahn. Ich beneidete Jonas um seinen Platz hinter dem Steuer nicht unbedingt.

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Als wir unser Airbnb in Berat erreichten - ein schönes und sehr preiswertes Holzhaus - waren unsere Nachbarn aus dem Airbnb neben uns auch erst vor ein paar Minuten angekommen und packten gerade ihre Sachen aus dem Auto. Das Pärchen war aus Schottland angereist und wir freundeten uns schnell mit ihnen an. So fuhren wir abends gemeinsam in das Stadtviertel Mangalem, um dort auf Anraten unserer lieben Airbnb Gastgeberin Rea im Restaurant "Friendly House" traditionell albanisch zu speisen. Als wir bei Dämmerung am Ufer des Osum entlang fuhren, beleuchteten die "Tausend Fenster" der alten osmanischen Häuser die Stadt wie eine Reihe von Laternen, die in den steil ansteigenden Hängen eingebettet waren. Jedes Fenster warf ein warmes Licht, das sich im fließenden Wasser des Flusses spiegelte und den Eindruck weiterer Fenster vermittelte. Devu und ich drückten uns auf den Rücksitzen die Nasen an den Fensterscheiben platt, um möglichst viel von dieser mystischen Eleganz visuell aufzunehmen.

Wir ergatterten einen der letzten freien Tische mit Blick auf den Fluss Osum und dem gegenüberliegenden Stadtviertel Gorica. Als wir die Speisekarten aufschlugen waren wir aber irritiert: Eine Cola für 150 ALL? Vishnu klärte uns auf, dass Albanien noch seine eigene Währung habe, den Albanischen Lek. "But you can still pay with Euros here; it's accepted everywhere in this place." ergänzte Devu. 150 Lek entsprachen etwa 1,20 Euro, es war also wirklich ziemlich günstig hier, daher bestellten wir eine Vielzahl albanischer Kleinigkeiten, von denen wir alle probieren konnten. Außerdem bestellte ich mir einen albanischen Wein, der einfach köstlich schmeckte, während Jonas über sein albanisches Bier "Korça" schmunzelte. "Schmeckt wie Wasser!" meinte er. Am Ende des Abends zahlten wir umgerechnet ca. 15 Euro pro Person und nahmen noch eine prall gefüllte Doggie Bag mit in unsere Unterkunft.

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Am nächsten Morgen trat ich auf unseren Balkon und wunderte mich über die brütende Hitze. Das Thermometer neben der Tür zeigte bereits 29 Grad Celsius an. Schon kam Rea mit unserem Frühstück um die Ecke, welches wir nicht auf der Terrasse zu uns nahmen, sondern im klimatisierten Holzhaus genossen. Uns stand der Sinn nach etwas Erholung von den Strapazen auf unserer Bergwanderung und so verlängerten wir unseren Aufenthalt bei Rea um eine weitere Nacht für 35 Euro. Gegen Mittag fuhren wir nochmal in das Stadtviertel Mangalem, um es uns bei Tageslicht anzuschauen, doch die albanische Sonne briet uns mittlerweile bei einer Temperatur von 32 Grad Celsius, daher (und, weil meine Leiste noch immer bei jedem Schritt schmerzte, siehe Bild!) pausierten wir bereits nach kurzer Zeit für ein günstiges zweites Frühstück bei der Coffeebar "n’Pedonale". Nebenan gab es direkt eine Apotheke, wo ich mir für 4,30 Euro ein Medikament gegen meine Blasenentzündung kaufen konnte, tatsächlich, ohne dafür ein ärztliches Rezept zu benötigen. Danach zog es uns auf die andere Seite des Flusses Osum über die Hängebrücke für Fußgänger nach Gorica, wo wir durch die ruhigeren Gassen und an versteckten Hinterhöfen vorbei schlenderten. Von hier aus konnten wir das erste Mal die Festung von Berat bestaunen, die auf einem Felsvorsprung ca. 214 Meter über dem Stadtviertel Mangalem liegt und deren Ursprünge bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. zurück reichen. Wir liefen weiter bis zur steinernen Gorica Brücke, welche ihr Gewicht auf insgesamt sieben Bögen verteilt und mir durch den Kontrast zwischen massiver Pfeiler und filigraner Brüstungen besonders imponierte. Anschließend rasteten wir erneut für ein frühes Mittagessen auf der schattigen Sonnenterrasse des Restaurants "Ballkoni Gorices", wo wir nicht nur ein kühles Korça Bier, sondern auch die herrliche Aussicht auf die Gorica Brücke, Mangalem und die darüber liegende Festung genossen.

Am späten Nachmittag brachte uns Rea frisches Obst und selbst gebrannten Raki zu unserer Hütte, welchen Jonas sich allein zu Gemüte führte. Deshalb fuhr ich das Auto am Abend das erste Mal über die albanischen Straßen und schrie spitz auf, als mir bereits nach wenigen Metern ein Hund vors Auto lief. Ich bremste hart und wartete, bis er sich zurück zu seinen vierbeinigen Freunden auf den Bürgersteig gesellte. Sobald ich auch nur aus der Ferne einen Hund am Wegrand erblickte, brach mir der Schweiß auf der Stirn aus und ich traute mich nicht schneller als 30 Km/h zu fahren. Wir parkten vor den massiven Mauern der Festung von Berat, welche eine der wenigen noch bewohnten Burgen Europas ist. Wir durchschritten das imposante Burgtor und kamen an einigen Tavernen vorbei, die innerhalb der Burgmauern eine lebendige Atmosphäre entstehen ließen. Auf der Aussichtsplattform angekommen (aua, Leiste!) konnten wir die Stadt Berat und die umliegende Landschaft im Abendrot bestaunen. Ich war hin und weg von den majestätischen Bergen des Tomorr-Gebirges, welches sich südlich der Stadt in einer Höhe von 2.416 Metern erhebt. Der Sonnenuntergang tauchte die Berggipfel und die darum wabernden Wolken in zarte Rosatöne und verwandelte den Himmel in eine zauberhafte Kulisse, von der ich mich und meine Kamera kaum losreißen konnte. Mit wunderschönem Ausblick aßen wir in der Bar "Te Zalua" köstlich zu Abend und verabschiedeten uns von der in den Abend eintauchenden Stadt Berat.

Eine Koliba am Skadarsee

Die Tankanzeige leuchtete konsequent. Laut Tacho hatten wir noch Sprit für 48 Kilometer, während unser Airbnb noch etwa 37 Kilometer entfernt war. In Montenegro, außerhalb der EU, boten unsere Mobilfunkverträge keinen Datenverkehr, was uns zwang, mit offline Karten zu navigieren, die keine Tankstellen anzeigten. Unsere Nerven lagen nach den letzten 4,5 Stunden Fahrt blank. Nach 30 Kilometern entschied Jonas, den Flugmodus zu deaktivieren, um die dringend notwendige Tankstelle zu suchen, bei der wir gerade noch rechtzeitig tanken konnten, während und uns zehn Minuten blieben, um pünktlich beim Airbnb einzuchecken. Doch nach jenen zehn Minuten fanden wir uns mitten in den Bergen wieder. Hektisch fuhren wir die soeben hochgewundenen Serpentinen wieder hinunter, in der Hoffnung, im Ort etwas WLAN zu erhaschen, damit wir nicht erneut auf mobile Daten zugreifen zu müssen, um unserem Airbnb-Gastgeber zu schreiben. Vergeblich suchten wir nach einem Signal. In seiner Verzweiflung schaltete Jonas den Flugmodus wieder aus, um in seinen E-Mails nach der korrekten Adresse zu suchen. Eine Viertelstunde und 40 Euro (kackteures Datenroaming!) später erreichten wir endlich unser Ziel: eine charmante kleine Holzkoliba mit einem weitläufigen Garten, in dem friedlich die Kühe grasten.

Zum Glück hatte Ivan vor der süßen Holzhütte auf uns gewartet, obwohl wir ein wenig zu spät eingetroffen waren. Er kam kurz mit in unsere Koliba und zeigte uns, wie wir die Holzleiter, die sich neben der Küchenzeile an der Wand befand, lösten, um sie so aufzustellen, dass wir zum Bett auf der zweiten Etage gelangen konnten. Das war lustig, denn so konnte man in jedem Fall keinen Abwasch mehr machen; eine gute Ausrede, um direkt nach dem Abendessen ins Bett zu gehen! Wir packten kurz unsere Sachen aus und fuhren dann ins Dorf Virpazar, welches trotz seiner kleinen Größe ein lebhafter, wenn nicht sogar unruhiger Ort war, wie wir später feststellen sollten. Überall tummelten sich Touristen oder Touristen-Stände, die um jeden Preis ihre Boote voll kriegen wollten. Wir befanden uns nämlich direkt am Skadarsee, welcher sich über eine Fläche von etwa 370 bis 530 Quadratkilometern (je nach Wasserstand) von Albanien bis Montenegro erstreckte, jedoch wurde nur der montenegrinische Teil des Sees zum Nationalpark erklärt, um seine natürlichen Ressourcen und seine einzigartige Landschaft zu bewahren. Er ist der größte See der Balkanhalbinsel und um ihn herum finden sich zahlreiche historische Monumente, darunter mittelalterliche Klöster, Kirchen und Burgen. Natürlich musste man hier eine Bootstour unternehmen. Wir hörten den Satz "Wanna go on a boat tour?" so oft, dass wir bereits darüber scherzten. Uns genügte aber zunächst das Restaurant Boot "Silistria", auf dem wir zu Mittag aßen. Am späten Nachmittag legten wir uns in die Hängematten unter die Apfelbäume in unserem Garten vor dem Haus und ließen die Seele baumeln, bis uns die Kühe besuchten. Wir bemühten uns beide tapfer, trotz der ungewohnten Nähe zu den stattlichen Tieren ruhig liegenzubleiben, doch schließlich überwog meine Angst, niedergetrampelt zu werden und ich verließ meine Hängematte als Erste. Jonas kam aber kurz darauf nach und wir beobachteten die beiden Kühe von unserer Terrasse aus in sicherer Entfernung.

Unbenanntes_Projekt 2

Am nächsten Morgen holte uns Ivan nach unserem Check-out ab, denn (Trommelwirbel!) er unternahm eine private Bootstour mit uns. Er führte uns im Dorf zu einer Anlegestelle für Fischerboote und wir kletterten in sein überdachtes Boot. Nachdem wir abgelegt hatten, fuhren wir zunächst an den üppigen Ufern des Sees vorbei und nachdem wir das dichte Schilfohr hinter uns gelassen hatten, genossen wir den beeindruckendem Blick auf den sich vor uns öffnenden See und seiner umliegenden Berge. Der Schwimmfarn überzog den See mit einer grünen Matte, auf der sich hier und da weiß blühende Seerosen erhoben, Pelikane landeten auf schwimmenden Schilfinseln und Haubentaucher liefen mit schnellen Schritten über die Wasseroberfläche. Ivan fuhr mit uns unter der imposanten Skadarsee-Brücke her, die den See an einer seiner schmalsten Stellen überspannt und auf der sich die Ruinen der Festung Lesendro erheben. Das Wasser des Sees war völlig klar, ich meinte sogar kurz, eine Seeschlange gesehen zu haben. Zu schnell waren die zwei Stunden auf dem See vorbei und wir machten uns auf den Weg zu unserem nächsten Abenteuer.

Zelten in Mlini

Wir fuhren entlang der Adriaküste Montenegros über die steil aufragenden, kalksteinernen Berge, die direkt aus dem Wasser herausragten und blickten durchs Fenster hinab auf den Hafen von Trivat, auf zahlreiche kleine Inseln, terrakottafarbenen Dächer und das eisblaue Meer. Schließlich erreichten wir die Bucht von Kotor, welche oft als der südlichste Fjord Europas bezeichnet wird, obwohl sie geologisch gesehen eine versunkene Flussschlucht ist. Wir fuhren nach Lepetani und nahmen für kostengünstige 5 Euro die Autofähre, mit der wir die Verige-Meerenge überquerten, die den inneren Teil der Bucht von Kotor vom äußeren trennt. Alternativ hätten wir die gesamte innere Bucht von Kotor auf der Uferstraße umfahren müssen, da waren uns die 7 Minuten auf der windigen Fähre doch lieber. In Kamenari fuhren wir wieder ab und dann weiter die Küste entlang, bis wir in Sutorina die Grenze nach Kroatien überquerten. Kurz darauf kamen wir am Flughafen Dubrovnik vorbei und erreichten nach 15 Minuten den Camping Platz "Camping Kate" in Mlini, wo wir die kommende Nacht zelten würden. Tatsächlich waren uns die Airbnb's in Dubrovnik zu teuer, daher bevorzugten wir das Campen in einem Nebenort für kostengünstige 26 Euro. Der Platz war bereits gut besucht, neben den hohen Zypressen reihte sich ein toller Camper neben dem anderen, daher schlugen wir unser Zelt ganz am Ende des Platzes im Schatten eines massiven Zürgelbaums mit Blick zum Meer auf. Dann folgten wir einer malerischen Treppe, die sich entlang eines plätschernden Baches hinabschlängelte und uns direkt zu einer kleinen, von hohen Kiefern umschlossenen Bucht führte. Wir badeten im warmen, adriatischen Meer und genossen die letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne.

Abends fuhren wir mit dem Auto ins 15 Minuten entfernte Dubrovnik und scheiterten in dem Versuch, einen Parkplatz in der Nähe der Altstadt zu finden, der weniger als 15 Euro/Stunde kostete. Im Nachhinein ist man immer schlauer, denn wir hätten wohl auch ein Wassertaxi von unserem Strand in Mlini bis nach Dubrovnik Old Town hin und zurück nehmen können für 15 Euro pro Person... Stattdessen parkten wir 2 Kilometer von der Altstadt entfernt in einer dunklen Gasse in der Nähe eines geschlossenen Supermarktes und mussten eine halbe Stunde an einer dicht befahrenen Straße entlang laufen, bis wir endlich das 1537 erbaute Pile Tor erreichten; der Hauptzugang der berühmten Altstadt. Schon von Weiten erkannten wir die bis zu 25 Meter hohen abgerundeten Mauern, die die Stadt im Umfang von ca. 2 Kilometern umschlossen. Zusammen mit einigen anderen Menschen schlängelten wir uns durch das Tor und trafen sogleich auf eine noch größere Menschenmenge, die sich um den wunderschönen Onofriobrunnen dahinter versammelt hatte. Jener wurde im frühen 15. Jahrhundert erbaut und war primärer Verteilungspunkt eines Wasserversorgungssystems, welches die Stadt mit frischem Wasser versorgte. Durch 16 steinerne Masken, die rund um die Basis des Brunnens angebracht waren, wurde das Wasser in verschiedene Bereiche der Stadt weitergeleitet. Über dem Brunnen ragte eine Kuppel empor, die das Wasser vor Verunreinigungen schützte. Wir befanden uns nun auf dem Stradun, der größten Hauptstraße in der Altstadt von Dubrovnik, welche das westliche Pile-Tor, mit dem östlichen Stadttor, dem Ploče-Tor verband. Der Boden war mit auffallendem Kalkstein gepflastert, der im Laufe der Zeit glatt poliert wurde und im Lichtschein der zahlreichen Geschäfte glänzte, die sich links und rechts säumten. Wir liefen über den Luža-Platz an der Kirche des Heiligen Blasius vorbei und auf den Glockenturm ("Zvonik") von Dubrovnik zu, am alten Hafen vorbei und dann die Treppen einer schmalen Gasse zur Festungsmauer hoch, wo wir durch einen schmalen Durchgang zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf die St. Margaret Bastion gelangten. Hier waren wir direkt auf den Klippen am Meer und konnten die Festung von außen begutachten. Die Sonne war nun untergegangen und der hellgraue Kalkstein der Bastion schien violett. Wir verweilten hier einige Minuten und liefen dann durch die Gassen wieder hinab und an der stattlichen Kathedrale von Dubrovnik vorbei und auf den Stradun zu, dabei kamen wir an einem kleinen Spielplatz und zahlreichen Restaurants vorbei, die sehr gut besucht waren, aber für uns zu teuer schienen. Daher machten wir uns mit knurrendem Magen auf den Weg zurück zum Auto, um dessen Unversehrtheit wir ohnehin besorgt waren, und holten uns unterwegs eine Pizza, die wir, auf dem Campingplatz angekommen, auf der Mauer neben unserem Zelt verspeisten.

Während Jonas zum Zähneputzen zu den Waschräumen ging, machte ich mich daran, unsere Schlafsäcke im Zelt auszubreiten. Um keine Insekten ins Zelt zu locken, öffnete ich im Schutz der Dunkelheit die Reißverschlüsse des Vorzelts und dann des Innenzelts, bevor ich vorsichtig hineinschlüpfte. Plötzlich fiel mir etwas Schweres mit einem lautstarken Platschen auf den Kopf. Ich versuchte ruhig zu bleiben und redete mir ein, ich hätte es mir eingebildet, währenddessen schloss ich beide Reißverschlüsse von innen wieder, wobei ich das, was mir auf den Kopf gefallen war, neben mir zu Boden fallen hörte. Erst nachdem ich das Zelt sorgfältig verschlossen hatte, zückte ich meine Handytaschenlampe und stieß einen Schrei aus, als das Licht auf eine riesige Heuschrecke traf, die mit ihren langen, stacheligen Beinen vor mir saß. Ihre bräunlichen Flügel zitterten leicht und sie blickte mich mit ihren großen Augen bedrohlich an. Ich riss an den Reißverschlüssen des Zelts, warf mich panisch hinaus ins Gras und schloss das Zelt von außen wieder. Jonas kam um die Ecke, sah meinen ängstlichen Blick und fragte flüsternd: "Was ist denn los?", als ob nicht schon alle umliegenden Camper von meinem Geschrei wach geworden wären. Ich erzählte von der Heuschrecke und deutete mit den Händen die enorme Größe an und er öffnete das Zelt und leuchtete mit der Taschenlampe ins Innere, wo ihn auch schon die zwei facettierten Augen der Heuschrecke herausfordernd anfunkelten. Mit den bloßen Händen versuchte er sie zum Gehen zu bewegen, doch sie ließ sich nur schwerfällig Richtung Ausgang schieben. Ich fiepte, während Jonas murmelte: "Boah, die ist voll schwer!" Nach mehreren Anläufen hatte sie sich endlich hinaus bequemt und siegreich schlüpfte Jonas ins Zelt. Ich kroch widerwillig und angeekelt hinterher. Stocksteif lag ich neben ihm und wagte es nicht, mich umzublicken, aus Angst, auf weitere Insekten zu stoßen. Doch Jonas beruhigte mich, indem er mein Handy an der Zeltdecke befestigte und uns eine Serie zum Einschlafen anmachte, zu der ich dann auch schnell wegschlummerte. Am nächsten Morgen wurde ich zu früh und schlecht gelaunt wach. Mich dürstete es nach einem Kaffee, aber es gab keinen. Unsere Handtücher, die wir zum Trocknen in den Baum über unserem Zelt gehangen hatten, waren von Asseln übersäht. Ich ging - ohne Handtuch - zu den Waschräumen, wo ich unglücklicherweise auf einen Mann mit Verdauungsproblemen stieß. Während ich mich hastig fertigmachte, hielt ich angestrengt den Atem an, um den unangenehmen Gerüchen zu entgehen. Dann weckte ich Jonas, damit wir unser Zelt abbauen und endlich von diesem Campingplatz verschwinden konnten. Den Kaffee bekam ich dann eine halbe Stunde später an einer Tankstelle auf dem Weg nach Slowenien.

Regen am Bleder See

Wir planten, ca. sieben Stunden bis nach Slowenien durchzufahren, da wir schon in zwei Tagen wieder zu Hause am Schreibtisch sitzen mussten. Die Fahrt gestaltete sich angenehm; Kroatiens Autobahnen sind hervorragend ausgebaut, und dank der Tunneldurchfahrten mussten wir nicht über die Berge fahren. Auf einem Rastplatz entdeckten wir zufällig einen Geocache, versteckt in den Felsen und bewacht von einer Landschnecke. Auf derselben Raststätte begegnete ich einer stattlichen Winkelspinne in einer der Toiletten, was mich dazu veranlasste, meine Angelegenheiten anderswo zu verrichten. Während Jonas am Steuer saß, nutzte ich die Zeit, um unseren nächsten Halt in Slowenien auf dem Heimweg zu planen. Die Route bot uns die Möglichkeit, entweder über Zagreb, die Hauptstadt Kroatiens, oder über Ljubljana, die Hauptstadt Sloweniens, zu fahren. Nach dem touristischen Trubel in Dubrovnik, der uns beide überwältigt hatte, sehnten wir uns jedoch nicht nach weiterem Großstadtgewimmel. Stattdessen suchte ich nach einer ruhigeren Alternative entlang unserer Strecke. So entdeckte ich auf der Karte den Ort Bled, von dem ich bereits gelesen hatte und der mir aufgrund seines malerischen Sees wie der perfekte Rückzugsort erschien. Ich buchte uns ein Hotel, weil mir die Airbnbs zu kostspielig vorkamen und ich keine Lust hatte, die Waschräume erneut mit anderen zu teilen. Wir überquerten die Grenze in Pribanjci und fuhren durch das Binnenland Sloweniens; einer sanften, grünen Hügellandschaft. Vereinzelt kamen wir an verschlafenen Dörfern und kleineren Waldgebieten vorbei, bis wir auf die Autobahn stießen, welche uns schließlich - die Julischen Alpen zum Greifen nah - nach Bled brachte. Nachdem wir eingecheckt hatten, fuhren wir ins Stadtinnere, wo uns das märchenhafte Panorama die Sprache verschlug. Wir standen am nordöstlichen Ufer des Sees und blickten auf kleine Insel Bled mit ihrem barocken Glockenturm, welcher auf einem Kissen von sattgrünen Bäumen zu thronen schien. Im Hintergrund erhoben sich die Alpen, deren Gipfel in dichtem Nebel verhangen waren. Es war ganz ruhig, bis das die Kirchenglocken von der Insel melodisch über den See hallten. Über dem See sammelten sich Fliegenschwärme, um sich in der feuchten Luft zu paaren und es setzte ein leichter Nieselregen ein. Über dem See thronte auf einem steilen Felsen in etwa 130 Metern Höhe die älteste Burg Sloweniens (erste schriftliche Aufzeichnungen stammen aus dem Jahr 1011) und es schien, als würde sie direkt aus dem Stein herauswachsen und über der bewaldeten Landschaft schweben. Wir aßen im "Public & Vegan Kitchen Bled" zu Abend (lecker!!) und gingen anschließend auf einen kleinen Absacker ins "Pub Bled Troha", einer rustikalen Kneipe mit Terrasse und Blick auf die Burg.

Am nächsten Morgen fuhren wir wieder ins Stadtinnere zu einer traditionellen slowenischen Bäckerei namens "Pekarna Planika", die eine breite Palette handgefertigter Backwaren anbot; darunter auch die berühmte "Kremšnita" oder "Bleder Cremeschnitte" genannt. Obwohl ich nicht allzu gerne süß aß, orderte ich sie mir zum Frühstück und kämpfte alsbald mit einer mächtigen Torte aus reichhaltiger (!) Vanillecreme und Schlagsahne. Die mit Puderzucker bestreute Blätterteigschicht oben drauf erwies sich als widerstandsfähiger als gedacht, daher verzichtete ich auf eine Gabel und nahm das üppige Stück in die Hände. Beim Hineinbeißen quollen Creme und Sahne aus allen Seiten hervor und mein Gesicht war augenblicklich mit süßen, zuckrigen Spuren bedeckt. Zwei Bissen gönnte ich mir, dann war mir schlecht. Anschließend spazierten wir wieder zum See, wo wir uns auf eine Bank setzten und unter einen Regenschirm kuschelten, denn es hatte wieder zu regnen begonnen. Auf dem See waberten nun feine Nebelwolken, sowohl die Insel als auch die Burg waren komplett eingehüllt und man konnte sie nur noch schemenhaft ausmachen. Ich kam mir vor wie in einem meiner liebsten Fantasy Romane, in dem gleich ein Vampir hinter der Kiefer erschien oder ein Drache über der Burg empor stieg.

Eigentlich wollten wir heute mit dem Sessellift auf die Straža fahren, von wo man den gesamten See von Bled sowie die Burg, die Hochebene Jelovica und den Berg Stol überblicken könnte, anschließend sollte es mit der 520 Meter langen Sommerrodelbahn wieder hinabgehen, aber da machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Tatsächlich waren wir beide auch ziemlich ausgelaugt von den ganzen letzten Tagen unterwegs, daher sehnten wir uns nach ein bisschen Ruhe. Stattdessen schlug Jonas also vor, den regnerischen Vormittag im Spa zu verbringen und wir besuchten die Wellness Živa im Rikli Balance Hotel. Arnold Rikli, ein Schweizer Naturheilkundler und Begründer des Kurtourismus in Bled, war überzeugt von der heilenden Kraft der Natur und entwickelte ein ganzheitliches Gesundheitskonzept, das auf den Elementen Wasser, Luft und Sonnenlicht basierte. Er motivierte seine Patienten zu regelmäßigen Spaziergängen - unter anderem auf die Straža - und zu Bädern in heilendem Wasser. So badeten wir also in den heißen Thermalschwimmbecken mit Blick auf den Bleder See und ich erhoffte mir endlich Linderung von den Muskelschmerzen unserer Wanderung auf den Astraka. Das Wasser in den Thermalbecken stammte aus unterirdischen Quellen Bleds und Umgebung, die durch geothermische Aktivitäten auf bis zu 40 Grad erhitzt werden und das warme Wasser aufsteigen lassen, woraufhin es zu den Thermalschwimmbecken des Wellness Živa im Rikli Balance Hotel geleitet wird. Dabei wird darauf geachtet, dass die natürlichen Temperaturen und Mineralien des Wassers erhalten bleiben. Es war herrlich entspannend nach den Strapazen der letzten 8 Tage und wir fühlten uns erfrischt und revitalisiert, nachdem wir die Wellness wieder verließen; bereit für die Weiterfahrt nach Hause.

Was hat der ganze Spaß gekostet?

Es war ein echter Balanceakt zwischen dem Erleben großartiger Momente und dem cleveren Umgang mit unserem Budget. Insgesamt haben wir 1.089,26 Euro ausgegeben. Hier ein kleiner Überblick:

Verpflegung:
Euro
Eintritte und Exkursionen:
Euro
Maut, Plakette und Fähre:
Euro
Treibstoff für den fahrbaren Untersatz:
Euro
Unterkünfte:
Euro